Suche

Offener Brief bzgl. Kennzeichnungspflicht

Sehr geehrte Frau Ministerin Paus,
sehr geehrter Herr Minister Buschmann,

 

der öffentliche Diskurs über eine Kennzeichnungspflicht von digital bearbeitetem Bildmaterial in den Sozialen Medien hält an und trat jüngst durch mediale Berichterstattung und Diskussionen zu dem vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz im digitalen Bereich (z.B. KI-generierte Profile bei Instagram) verstärkt in den Fokus.

Als Fachgesellschaften, die Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie vertreten, setzen wir uns seit über einem Jahr dafür ein, dieses Thema über eine Petition in den Bundestag einzubringen. Dies ist leider nicht geglückt, da eine ähnliche Petition aus dem Jahr 2021 mit nur 365 Stimmen das Thema blockierte. Laut eines uns übermittelten Schreibens des Petitionsausschusses wurde am 6. Juni vom Deutschen Bundestag beschlossen, die Petition den Bundesministerien für Justiz und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu überweisen,  wobei unser Entwurf (Anlage) der ursprünglichen Petition beigefügt wurde.

Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um Ihnen, den zuständigen Ministern die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung deutlich zu machen. Insbesondere zum Schutz junger, vulnerabler Zielgruppen, die verstärkt niedrigschwellig durch Soziale Medien angesprochen werden, ist eine solche Kennzeichnungspflicht in unseren Augen dringend erforderlich. Zwar agieren seriös praktizierende Anbieter ästhetisch-plastischer Eingriffe im Sinne der besagten Personengruppe. Wir beobachten aber, dass der Markt der „Schönheitschirurgie“ zunehmend unübersichtlich ist und versucht wird, von der Verunsicherung und der Unwissenheit junger Frauen und Männer zu profitieren.

Als brisant nehmen wir neben der mit unserer Petition adressierten Störung des Selbstbildes auch eine zunehmende Verwirrung bzgl. der Qualifikation der Anbieter wahr. Eine Entwicklung, die durch die Sozialen Medien radikal beschleunigt wird, auch hier sehen wir großen Handlungsbedarf, um den Schutz von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.

Die Einflussnahme der Sozialen Medien auf das Selbstbild von jungen Menschen ist nicht nur durch zahlreiche wissenschaftliche Studienbelegt, sondern auch die jährlichen Erhebungen der DGÄPC und der VDÄPC zeigen einen klaren Handlungsbedarf auf. Durch Filter und die Bearbeitung von Gesichts- und Körpermerkmalen wird ein surreales, nicht zu erreichendes Schönheitsideal demonstriert, das dauerhaft konsumiert zu einem verminderten Selbstwert bis hin zu krankhaften Körperwahrnehmungsstörungen (Dysmorphophobie) bei den Betrachtenden führen kann.

Deshalb fordern wir eine Kennzeichnungspflicht für digital bearbeitetes und KI-generiertes Bild- und Videomaterial in den Sozialen Medien sowie der Werbung.

Auch die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) unter dem Vorsitz der Senatorin Katharina Fegebank hatte bereits im Jahr 2022 mehrheitlich beschlossen, eine Kennzeichnungspflicht von bearbeitetem Bildmaterial in Werbung und in sozialen Netzwerken (TOP 5.8) zu fordern. Leider wurde das Thema offenbar nicht weiterverfolgt.

Da unsere Mitglieder täglich und zunehmend mit teils obskuren Wünschen sowie Behandlungsergebnissen junger Patientinnen und Patienten konfrontiert werden, fordern wir Sie auf, ein weiteres Vorgehen hinsichtlich einer gesetzlichen Regelung für Deutschland zu beschleunigen. Länder wie Israel (seit 2013), Frankreich (seit 2017) oder Norwegen (seit 2022) gehen mit gutem Beispiel voran. Hier müssen Werbetreibende angeben, wenn sie auf einem Foto das Aussehen einer Person digital verändert haben. Betroffen von dieser Regelung sind klassische Werbefotos sowie Influencerinnen und Influencer, die mit einem gut sichtbaren Label bearbeitetes Bildmaterial kennzeichnen müssen.

Neben Meinungsumfragen, Studien, Statistiken und bereits getroffenen Beschlüssen zu diesem Thema, sollte der Schutz der psychischen und physischen Gesundheit junger Menschen genug Anreiz sein, auch in Deutschland eine gesetzliche Regelung umzusetzen.

Das jüngst verabschiedete EU Gesetz für KI berücksichtigt zwar die Verletzungen der Grundrechte durch den Einsatz von KI und schließt auch eine Kennzeichnungspflicht für die Verwendung von künstlicher Intelligenz bei Bild-, Audio- und Videoinhalten mit ein. Dennoch richtet sich diese Pflicht zunächst nur an Entwickler – Gewerbetreibende, Influencer und normale User*innen blieben dabei unbeachtet. Zudem umfasst das Gesetz keine Kennzeichnungspflicht außerhalb KI-gesteuerter Tools und Technologien.

Wir hoffen, Sie für unser Anliegen gewinnen zu können und stehen für einen Austausch gerne und jederzeit zur Verfügung.  

Mit freundlichen Grüßen

unterschriften

Weitere Themen